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  • IT-Projektmanagement: Wann Prozesse und Tools nutzlos sind (1)

    Jörg Hinrichs

    Stefan parkte den Wagen, stieg aus dem Auto und ging die 5 kleinen Treppenstufen zu seinem Haus hinauf. Müde öffnete er die Tür und hängte seine Jacke an die Garderobe. Anschließend ging er ins Wohnzimmer und ließ sich mit einem Seufzer in den Sessel fallen.

    “Schwerer Tag heute?”, fragte ihn Johanna, seine Frau.
    Stefan verzog das Gesicht. “Das kannst Du laut sagen!”, stöhnte er.
    “Möchtest Du darüber reden oder soll ich Dich lieber in Ruhe lassen?”.
    “Nein, ist schon Ok. Heute gab es wieder eins dieser unerfreulichen Treffen mit unserem Auftraggeber. Wir sind nicht rechtzeitig mit der Software fertig geworden und unser Ansprechpartner, Herr Krawinger, ist sauer. Ich kann ihn ja auch verstehen: Wir halten unsere Termine nicht ein und für ihn sieht es so aus, als ob wir keine vernünftige Arbeit leisten. Und das Ganze passiert ja nicht zum ersten Mal.
    Statt zu prüfen was wir in Zukunft besser machen können wird dann lieber nach Schuldigen gesucht. Ich als Projektleiter stehe dann natürlich besonders in der Kritik.”
    “Wenn das Problem schon länger besteht, was hast Du dann dagegen unternommen?”, fragte ihn Johanna.
    “Ich habe Clever & Smart Consulting damit beauftragt, eine Lösung zu finden. Die haben sich unser Projektmanagement ganz genau angeguckt und dann den Softwareentwicklungsprozess entsprechend angepasst. Ein solcher Prozess beschreibt die verschiedenen Phasen und deren Reihenfolge bei einer Softwareentwicklung und legt Rollen sowie Verantwortlichkeiten fest. Das ist sozusagen wie das Spielsystem einer Fußballmannschaft. Jeder hat seinen festen Platz und seine Aufgabe, und wenn alle gut zusammenarbeiten, führt das auch zum Erfolg.
    Wir entwickeln jetzt iterativ, d.h. wir nehmen uns kleine Einheiten vor, entwerfen und entwickeln diese komplett und benutzen das, was wir dabei über den fachlichen Hintergrund lernen für die nächsten Aufgaben.
    Dadurch sollte unsere Terminplanung sich eigentlich stabilisieren, zumindest in den späteren Phasen des Projektes. Aber irgendwie hat sich dadurch nicht allzu viel verändert. Im Wesentlichen haben wir immer noch die Probleme, die schon von Anfang an bestanden. Um ehrlich zu sein, bin ich im Moment ziemlich ratlos.”
    “Was würdest Du denn als Dein größtes Problem ansehen?”, wollte Johanna wissen.

    “Der Kunde kann uns einfach nicht genau genug beschreiben, was wir programmieren sollen. Meistens fehlen wichtige Informationen in den Anforderungsdokumenten. Das ist wie eine Landkarte mit lauter weißen Flecken: Wenn Du unbekanntes Terrain betrittst, triffst Du auf einmal auf unerwartete Hindernisse. Einige davon kannst Du vielleicht mit wenig Aufwand umgehen, bei anderen dagegen musst du umkehren und einen neuen Weg suchen. Genau so ist das auch beim Programmieren.
    Darunter leidet dann das komplette Projektmanagement: Aufwandsschätzungen sind zu gering, Kosten zu hoch und mit den Terminen kriegen wir dann natürlich auch Probleme.”

    “Ah!”, sagte Johanna.
    “Lass mich raten, ist das ein ‘Ah, kein Wunder, so kann das auch nichts werden!’ ?”
    “Stimmt genau”, lächelte sie.
    “Sieh an, und warum nicht?”
    “Warum bekommen Kinder in der Grundschule keinen Taschenrechner?”, fragte sie zurück.
    “Wie bitte?!”
    “Warum bekommen Kinder in der Grundschule keinen Taschenrechner?”, fragte Johanna noch einmal.
    “Ich habe Dich schon verstanden, aber was hat das mit meinen Problemen zu tun?”, wunderte sich Stefan.
    “Nun, Du hast gesagt, dass ihr neue Tools verwendet. So ein Taschenrechner ist doch auch ein tolles Tool. Damit können die Kinder viel schneller rechnen. Trotzdem wird er in der Grundschule nicht eingesetzt, und zwar weil er kein Verständnis vermitteln kann. Ein Taschenrechner wird Dir niemals erklären können, warum es geschickter ist, 2* 25 statt 25 * 2 zu rechnen. Er wird außerdem verhindern, dass Du für eine schwierigere Aufgabe im Kopf Überschlagsrechnungen machst. Und bei Textaufgaben ist er auch keine große Hilfe weil es da erst einmal darum geht, aus der Aufgabenstellung eine mathematische Darstellung zu entwickeln.
    Prozesse und Tools sind vor allem organisatorische Hilfsmittel. Und sie sind gut, um organisatorische Probleme zu lösen.
    “Aber sie taugen nicht viel wenn man ein inhaltliches Problem hat…”, ergänzte Stefan den Gedanken.
    “Genau, bei inhaltlichen Problemen muss man die Ursache erkennen und verstehen. Wenn Du das geschafft hast, kann ein Tool oder ein neuer Prozess durchaus sinnvoll sein. Aber vorher nützen sie nicht viel.”
    “Wenn ich das auf mein Projekt übertrage heißt das, ich muss mir anschauen, welche Informationen wir auf jeden Fall vom Kunden benötigen, damit unser Projektmanagement verlässlicher wird. Ich könnte z.B. eine bestehende Anforderung nehmen und um all die Dinge ergänzen, welche wir erst im Laufe der Entwicklung herausgefunden haben. Dann versuche ich Muster und Fragen zu entwickeln, mit denen wir diese fehlenden Informationen beim nächsten Mal gleich zu Beginn ermitteln können.
    Wenn wir das schaffen, dann werden wir auch ein viel zuverlässigeres Projektmanagement hinkriegen.”
    Ein breites Grinsen erschien auf Stefan’s Gesicht. “Du bist unglaublich, weißt Du das?”.
    Johanna zwinkerte ihm zu: “Ja, ich weiß!”

    Fortsetzung folgt…

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